Zuerst die Bestätigung dessen, was wir alle schon immer vermutet haben: " Das Bewerbungs-Anschreiben liest so gut wie keiner. Das ist zu einem langweiligen Blatt voller Floskeln verkommen." Wer also schon mal für den Nobelpreis nominiert gewesen sei, täte gut daran, dies nicht im Anschreiben zu erwähnen, rät Jürgen Hesse. Wo aber dann? "Gebührend auf der Seite Drei!"

Jürgen Hesse ist Bewerbungstrainer. Gemeinsam mit Hans Christian Schrader hat er inzwischen rund 180 Ratgeber zum Thema "richtig bewerben" geschrieben. Die beiden empfehlen die Seite Drei als Zusatzblatt, das in einer gewöhnlichen Bewerbungsmappe auf das Anschreiben und den Lebenslauf folgen kann. Standard ist es noch nicht.

In klassischen Tageszeitungen ist die dritte Seite stets die "Vorzeigeseite" – mit Platz für schön geschriebene Porträts oder ausführliche Hintergrundstücke. "Das hat uns inspiriert", sagt Berater Hesse. Anfang der 1990er seien sie mit dem Problem eines immer umkämpfteren Arbeitsmarkts konfrontiert worden; die Bewerber suchten also nach neuen Möglichkeiten, sich in der Masse abzuheben. Das Hesse-Schrader-Duo empfahl ihnen fortan, eine Seite Drei hinzuzufügen.

Nach dem Schema "Was Sie noch über mich wissen sollten" können Jobsuchende darauf beschreiben, was sie als Menschen auszeichnet: Hobbys, besondere Errungenschaften, zusätzliche Erläuterungen zum Lebenslauf. Der Spielraum ist groß. Warum nicht erklären, wieso man ein Jahr "Arbeitspause" und eine Weltreise gemacht hat ? Oft reichten schon sechs Zeilen, so der Bewerbungstrainer. Ein Koch könne das Blatt etwa zu einer Speisekarte umgestalten. Überschrift: "Diese Gerichte haben meine bisherigen Chefs besonders gemocht." Hesse: "Wenn Sie es schaffen, mit der Seite Drei zu punkten, dann schaut sich der Personaler mit Sicherheit auch die Vita und vielleicht sogar das Anschreiben noch einmal genauer an. Unsere Erfahrung jedenfalls ist, dass diese zusätzliche Seite häufig zuerst gelesen wird."

Und dann erzählt Hesse sein Lieblingsbeispiel: Einer seiner Kunden, ein schon länger arbeitssuchender, angehender Mediziner, habe auf der dritten Seite von seinem Hobby erzählt: dem Sammeln und Reparieren alter Kameras. "Das Erste, was ihn der Chefarzt dann im Vorstellungsgespräch fragte, war: ,Erzählen Sie mal – welche Modelle haben Sie denn?’" Dem Bewerber sei es nicht nur gelungen, zufälligerweise den Nerv eines Entscheiders zu treffen. Zugleich habe er mit der Nennung seines Hobbys auf sein handwerkliches, präzisionstechnisches Geschick hingewiesen, eine für Chirurgen ja nicht ganz unwichtige Fähigkeit. Genau das sei der Spagat, den es für die Seite Drei zu schaffen gelte: Man müsse etwas finden, das, so banal es erscheinen mag, auch für den gewünschten Job von Bedeutung ist.

Andreas Herrmann ist freier Personalberater und Bewerbungstrainer in Hamburg. In seinen Augen ist die Seite Drei ein Mittel, das auch den mitarbeitersuchenden Unternehmen helfen kann. Ausreichend qualifizierte Personen gebe es oft genug. Das Schwierigste aber sei, aus den 500 Bewerbungsmappen "den richtigen Typen" zu filtern. "Denn dass derjenige ins Team passt, ist ja im Interesse beider Parteien." Herrmann empfiehlt deshalb, wirklich Menschliches auf der dritten Seite preiszugeben. "Man kann doch ruhig mal schreiben, dass man ein bisschen mürrisch wird, wenn der HSV verliert. Dann kann sich der neue Chef schon mal darauf einstellen." Die Gefahr, einen Personaler mit solchen Banalitäten abzuschrecken, sei zwar gegeben, so Herrmann. Aber die Alternative laute, im Bewerbungsstapel unterzugehen.

Ob Nachtportier, Pressereferent oder Manager – ist das Verfassen dieser Extra-Seite denn jedem zu empfehlen? Ein klares Nein. Gestandene Führungskräfte mit über 100.000 Euro Jahreseinkommen machen sich damit eher lächerlich. "Sie haben es nicht mehr nötig, auf ihre Vorzüge so explizit hinzuweisen", sagt Jürgen Hesse. Auch im Kleinverdiener-Segment seien diese Extra-Worte unüblich. Den klassischen Seite-Drei-Bereich siedelt er daher bei Jobs mit einem Jahreseinkommen zwischen 20.000 und 50.000 Euro an. "In diese Gehaltsstufe strömen die meisten. Da ist es besonders wichtig, sich mit seiner Persönlichkeit von den Wettbewerbern abzuheben." Hesse geht davon aus, dass gut ein Drittel der Bewerbungen für Jobs in jenem mittleren Lohnsegment inzwischen eine Seite Drei enthielten.

Statistisch erhoben wird der Umfang von Bewerbungsmappen natürlich nicht. Andreas Herrmanns Schätzung jedenfalls liegt deutlich unter Hesses Zahlen. Er geht davon aus, dass nur ein bis zwei Prozent aller Bewerbung eine dritte Seite enthalten. "Sie ist noch ein Stiefkind, dem viele mit Berührungsängsten begegnen."

Ganz unberechtigt ist diese Vorsicht indes nicht. Denn, und das betonen beide Trainer, eine Seite Drei kann auch ordentlich in die Hose gehen. So sind gewollte Lacher selten von Erfolg gekrönt. Die größte Gefahr aber ist wohl Redundanz: Die Motivation etwa, die man schon im Anschreiben geschildert hat, muss man auf der Seite Drei nicht wiederkäuen. Kurzum: "Es muss wirklich etwas Außergewöhnliches an der eigenen Person geben, das lohnt, beschrieben zu werden. Wem nichts einfällt, der sollte auf jeden Fall die Finger davon lassen." Wichtiger sei es dann, sich auf ein prägnantes Anschreiben und einen übersichtlichen Lebenslauf zu konzentrieren, sagt Coach Andreas Herrmann. "Schließlich scheitern noch immer 80 Prozent der Bewerbungen an Formfehlern." Und von ungeeigneten Bewerbungsfotos will er gar nicht erst anfangen. "Sie glauben ja gar nicht, was da immer noch verschickt wird!"